Pressestimmen "UNSER KOHLHAAS"

von H. v. Kleist

Regie: Alexander Brill

Premiere: 29.01.16

 

Die Novelle von Heinrich von Kleist, ein Stück deutsche Literaturgeschichte, mehr als 200 Jahre alt, ist eine Reflexion über die Gerechtigkeit – und über gnadenlose Rache. Zwei Rappen werden dem Pferdehändler Kohlhaas genommen, seine Klage dagegen wird vom Kurfürsten abgeschmettert. In seiner Wut bricht Kohlhaas einen blutigen Rachefeldzug vom Zaun, der ihn zum Mörder werden lässt.“

Die Welt, 27.01.16 (Vorbericht)

 

[Der Regisseur Alexander] Brill hat dafür einen außergewöhnlichen Interpreten gewonnen, den deutsch-türkischen Schauspieler Adnan Maral, der durch zahlreiche Fernsehproduktionen (Türkisch für Anfänger) und Spielfilme bekannt geworden ist. Adnan Maral ist in der Türkei geboren, aber in Frankfurt aufgewachsen, er hat 1984 im Schülerclub von Alexander Brill mit dem Theaterspielen begonnen.“

Frankfurter Rundschau, 26.01.16 (Vorbericht)

 

Abgesehen von dem Kraftakt, die Kleistsche Erzählung zu rezitieren, geht es in der von Brill gegründeten Theaterperipherie, deren Markenzeichen es ist, Stoffe anders aufzugreifen und nach dem aktuellen Zustand der Gesellschaft zu fragen, um die Rezeption des Kohlhaas.“

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17.01.16 (Vorbericht)

 

Eine ungeheuerliche Geschichte, die so schlicht beginnt wie Maral selbst. In Jeans und Hemd, eine Wasserflasche in der Hand, aus der er immer wieder einen Schluck nimmt.“

Zusammen mit dem Dramaturgen Christian Franke aber geht Brill einer Frage auf den Grund, die im Text selbst liegt – und in seiner Rezeptionsgeschichte. Kohlhaas, so geht der Gedanke, wäre heutzutage ein AfD-Wähler oder bei Pegida. Die Geschichte eines Bürgers, der sich vom Rechtsstaat verraten sieht und selbst Hand anlegt, war auch im Nationalsozialismus hoch attraktiv.“

[D]er gesamte Fokus liegt auf dem einen Erzähler, Maral, der den Kohlhaas rezitiert, als stehe er eben nicht auf einer Bühne, sondern einfach so vor Freunden.

Das Schlichte, das Marals zunächst fast untheatralische Vortragsweise unterstreicht, hat einen gewissen Reiz, in den, mit mächtigen Schlägen auf ein Ölfass, den Baseballschläger in den behandschuhten Händen, bald die Gewalt hereinbricht, das Unangemessene, das Kohlhaas sich anmaßt.“

Das Ölfass wird zum Rednerpult, Maral zückt Manuskript und Brille und hebt wieder an, die ›lieben Freunde‹ zu begrüßen. Da fällt der Groschen. Diese Freunde, es sind Gesinnungsgenossen, dargestellt vom Publikum selbst. Die Rede, die Maral verliest, ist eine Fortführung der Geschichte ins Heute. Ein Gedankenspiel mit rechter Ideologie, die Kleist für sich vereinnahmt und die Geschichte umdeutet. Das geht ganz einfach [...]“

Schrecken und Lächerlichkeit liegen nahe beieinander. Fast wie in Wirklichkeit. So wirkt ›unser Kohlhaas‹ weniger wie ein Theater- als vielmehr ein Gedankenexperiment, über das es sich zu sprechen lohnt.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.16

 

Die vielen Konjunktive Kleists, seine sperrig-schöne Sprache macht sich Maral selbstverständlich zu eigen.“

Warum also Kohlhaas heute in dieser klug gekürzten Fassung, die Brill ›Unser Kohlhaas‹ getauft hat? Diese Frage versucht die Inszenierung nach einer Stunde, in der letzten Viertelstunde zu beantworten, im zweiten Teil des Abends. Die Erzählung des Widersachers, die seit ihrem Anbeginn von den unterschiedlichsten Parteien politisch instrumentalisiert wurde – der Regisseur verankert sie in der Gegenwart.

 

Maral wird zum Rezitator einer rechten Gruppierung. Hinter seiner Tonne, die zum Katheder wird, und nun mit Lesebrille auf der Nase, spinnt er die Geschichte ins Heute weiter, spricht Angela Merkel und Pegida an, appelliert an das nun etwas beleuchtete Publikum: Wir wollen ein anderes Land! So zeigt die Inszenierung, wie der Kohlhaas-Stoff auch heute noch instrumentalisiert werden kann.“

Frankfurter Rundschau, 02.02.16