Hintergrundinformationen zu                   "Maria Magdalena"

titel

 

nur auf veranlassung des verlegers bekam das drama den titel maria magdalena, denn hebbel hatte ihm ursprünglich den titel klara nach seiner hauptfigur gegeben. der neue titel stellt den bezug zur biblischen figur der maria magdalena her, die in der kirchlichen überlieferung eine sünderin (hure oder ehebrecherin) darstellt.

 

 

inhalt

 

maria magdalene.

ein bürgerliches trauerspiel in drei akten. prosa.

geschrieben 1843 in kopenhagen und paris. uraufgeführt am 29. oktober 1846 durch das stadttheater leipzig.

 

klara, die tochter des tischlermeisters anton, ist von ihrem jugendgeliebten, dem sekretär, verlassen worden. aus schmerz und trotz gibt sie bei einem tanzfest dem drängen leonhards, ihres ungeliebten verlobten, nach; sie erwartet ein kind von ihm. als ihr bruder karl unter dem (falschen) verdacht des juwelendiebstahls verhaftet wird, stirbt ihre mutter vor entsetzen; leonhard, der ein zynischer karrieremacher ist, nimmt die familienschande zum anlass, seine verlobung zu lösen. klara hat an der leiche ihrer mutter geschworen, ihrem vater keine schande zu machen, und ihr vater hat geschworen, sich zu töten, falls sie ihm schande bringe. der sekretär, ihr jugendgeliebter, der sie nun heiraten will, wendet sich von ihr ab, als er erfährt, wie eng sie an leonhard gebunden ist: "darüber kann kein mann weg." leonhard weigert sich, sie zu heiraten. der sekretär tötet leonhard im pistolenduell und wird schwer verwundet. klara stürzt sich in den brunnen. der sterbende sekretär wirft sich und meister anton vor, dass sie an ihrem tod schuld sind. meister anton bleibt in seinem moralischen anspruch starr — bis zum letzten satz, mit dem er nach hebbels willen zu einer "ahnung seines missverhältnisses zur welt" kommt: "ich verstehe die welt nicht mehr!"

 

georg hensel

spielplan, s. 598/509

schauspielführer von der antike bis zur gegenwart, teil 1

propyläen verlag, berlin

 

 

 

vergebung der sünden


ein pharisäer lud jesus zum essen ein. jesus betrat sein haus und nahm platz bei tisch. doch in der stadt lebte auch eine frau mit schlechtem ruf. als sie erfuhr, dass jesus bei dem pharisäer zu gast war, nahm sie ein fläschchen mit kostbarem salböl und erschien plötzlich weinend am fußende des polsters, auf dem jesus lag. sie ließ ihre tränen über jesu füße rinnen, trocknete sie mit ihrem haarschopf ab, küsste sie zärtlich und salbte sie mit dem öl. der pharisäer, der jesus eingeladen hatte, wurde dabei sichtlich unruhig‚ und er dachte: "wäre jesus ein prophet, dann wüsste er, was das für eine frau ist, die sich an ihn heranmacht, und dass sie einen schlechten ruf hat." jesus las seine gedanken und fragte: "simon, darf ich dir etwas sagen?" der pharisäer antwortete: "sag es, verehrter lehrer." jesus begann: "ein geldverleiher hatte zwei schuldner. der eine schuldete ihm fünfhundert denare, der andere fünfzig. da keiner von ihnen das geld zurückzahlen konnte, erließ der geldverleiher beiden ihre schulden. was meinst nun: welcher wird ihn mehr lieben?" simon antwortete: "wohl der, dem mehr geschenkt wurde." "genau!" sagte jesus. er wies auf die frau und fuhr fort: "sieh dir diese frau an! ich kam in dein haus, doch du hast mir kein wasser für die reinigung der füße gereicht. diese frau aber hat ihre tränen über meine füße rinnen lassen und sie mit ihren haaren abgetrocknet. du hast mir keinen begrüßungskuss gegeben. sie aber hat, seitdem sie herein gekommen ist, nicht aufgehört, mir die füße zu küssen. du hast meinen kopf nicht mit öl gesalbt, sie aber hat mit salböl meine füße verwöhnt. deswegen, das versichere ich dir, sollen ihre vielen sünden vergeben sein, denn sie hat viel geliebt. der aber, dem wenig vergeben werden muss, wird auch weniger lieben." dann sagte jesus zu der frau: "deine sünden sind dir vergeben." da fingen die übrigen gäste an, sich zu fragen: "was ist denn das für einer, dass er sünden vergibt?" jesus aber wandte sich noch einmal an die frau und sagte: "dein glaube hat dich gerettet. geh nun, gott segne dich mit frieden."

neues testament, lukas 7,3 6-50

 

 

postmoderne tendenzen in maria magdalena

 

die heutige zeit scheint vielen geprägt vom verlust von stabilität, einheit und verlässlichkeiten. das gilt für den verlust eines geschlossenen weltbildes und den verlust von traditioneller ich-identität, bei der das ich als etwas substanzielles und festes begriffen wird. stattdessen muss der postmoderne mensch sich mit der ständigen erfahrung von pluralität und gleichzeitig von flüchtigkeit, instabilität und leichtigkeit auseinander setzen. er lebt in einer vielfältigen gesellschaft, die ihm immer wieder das spiel mit neuen möglichkeiten und rollen, die auseinandersetzung mit varianten der lebensgestaltung und der selbstkonzepte abverlangt. er ist ständig ein mensch im übergang. und im wertewandel ist auch ein generationenkonflikt enthalten. es entstehen extreme spannungen dadurch, dass das effizienzprinzip (wirtschaft), das gleichheitsprinzip (politik) und das selbstverwirklichungsprinzip (kultur) nicht gleichzeitig durchsetzbar sind. hebbel als paradedichter der moderne beschreibt helden in der erfahrung der vergänglichkeit, der fremdbestimmung, des verlustes von identität, der empfindung, in der welt nicht mehr zu hause zu sein.